inHard: Der Austausch eines SĂ€ngers kann bei einer Band ziemlich problematisch sein, aber auch neue, den Sound befruchtende Impulse geben. Gerade im Progrock-Bereich gab es bei Bands wie King
Crimson, Marillion und Genesis hierzu positive Beispiele. Bei Central Park habt ihr noch eine Ecke weiter gedacht und euren alten SĂ€nger gleich
durch eine ebenso stimmgewaltige wie sensitiv-sinnliche SĂ€ngerin ersetzt. Wie habt ihr die tolle Stimme von Jannine Pusch entdeckt und wie kam es zur Zusammenarbeit?
Artur: ZunÀchst einmal ist wichtig zu wissen, dass wir uns von Heiko, der mittlerweile
nach Köln gezogen ist, nur aus GrĂŒnden der weiten Entfernung getrennt haben. Unter diesen UmstĂ€nden war ein gemeinsames Entwickeln der neuen Songs nicht mehr
machbar. Wir haben uns nur noch knapp vor den Gigs zum Proben getroffen, und es wurden immer nur die alten Songs gespielt. Dadurch fehlten seine wichtigen Ideen
beim Entstehen neuer Songs, was logischerweise unsere Weiterentwicklung blockierte. Die Trennung war aber fĂŒr alle entspannt. Auf der Suche nach einem neuen Frontmann
sind wir auf eine dieser âMusiker sucht Bandâ-Foren im Internet gelandet. Der Eintrag einer SĂ€ngerin, die eine progressive Band suchte, fiel uns natĂŒrlich sofort auf. Und dass
Jannine sich am selben Tag drei Stunden vor unserer Internet-Suche eingetragen hat, kann einfach kein Zufall sein. Die Chemie stimmte, und Jannine hat uns durch ihre
gesanglichen QualitĂ€ten sofort ĂŒberzeugt. So einfach geht das manchmal, kurzum: GlĂŒck gehabt!
inHard: Bei den StĂŒcken eurer neuen CD âReflectedâ hat Jannine fast alle
Lyrics beigesteuert. Habt ihr zuerst eure komplexen, vielschichtigen, aber auch sehr melodischen Arrangements eingespielt und Jannine hat sich dann zu den
Texten inspirieren lassen, oder wie seid ihr da vorgegangen?
Artur: Die neuen Songs sind nach der Trennung von Heiko relativ schnell entstanden, da
Ideen hierfĂŒr schon reichlich vorhanden waren. Wir haben einfach viel experimentiert und gebastelt. Als Jannine zu uns kam, haben wir mit ihr im Studio intensiv gearbeitet.
Da fĂŒr viele Songs noch keine festen Gesangslinien feststanden, konnte sie sich musikalisch wie textlich voll einbringen. Auch stilistisch kamen viele Ideen von ihr, da
sie ja ein gutes StĂŒck jĂŒnger ist als wir und ihre Auffassung von Prog-Rock moderner ist als unsere. Diese EinflĂŒsse haben wir gerne angenommen, daher klingen wir sicher jĂŒnger als wir sind ...
inHard: Das unglaubliche Gesangstalent von Jannine wird insbesondere auf
dem dreigeteilten, fast 22minĂŒtigen âVision Of Cassandraâ deutlich, bei dem ihr die griechische Mythologie in die Moderne transportiert. Vielleicht kannst du
mir hierzu etwas ĂŒber die Entstehung erzĂ€hlen?
Artur: Der Auslöser fĂŒr dieses Opus war eine Collage von Aniela Adams, einer
befreundeten Meisterin der visuellen KĂŒnste. Diese Collage heiĂt âVision Of Cassandraâ und ist auch im Booklet abgebildet. Als Jochen (Scheffter: Keyboarder)
dieses Werk sah, wollte er es unbedingt musikalisch umsetzen. Dass wir wieder in der griechischen Sagenwelt gelandet sind, ist eher ein Zufall. Andererseits aber auch die
konsequente Fortsetzung unseres Werkes âDonât Look Backâ auf dem ersten Album âUnexpectedâ. Damals ging es um die Tragödie von Orpheus und Eurydike.
Cassandras Vision vom Untergang Trojas war fĂŒr uns eine enorme Herausforderung. Wer allerdings auf dreieinhalbminĂŒtigen Mainstream steht, sollte sich das aber besser
nicht antun. Dieses StĂŒck erfordert Aufmerksamkeit, Phantasie und Konzentration.
inHard: Wie lange habt ihr an den Songs zu âReflectedâ gearbeitet? Löblich ist auch die saubere und luftige Produktion...
Artur: Die Entstehung der Songs dauerte etwa ein Jahr, die reine Aufnahmezeit lÀsst
sich nicht beziffern. Jochen und ich haben ja seit 28 Jahren unser eigenes Studio. So haben wir in den Leerzeiten, in denen das Studio nicht gebucht war, immer wieder peu
Ă peu Dinge ausprobiert, aufgenommen, Ideen wieder verworfen, weiter gebastelt. Die Luftigkeit ergibt sich dann irgendwann automatisch, wenn man erkennt, dass âwenigerâ
mehr ist. FĂŒr das âSaubereâ steht sicher unser analoges Mischpult, das in der Klangbearbeitung doch immer noch mehr ermöglicht als irgendwelche Plug-ins im
Rechner. Und natĂŒrlich unsere hochwertigen Mikrofone. Aber wir bringen sicher auch das nötige technische Know-How mit, wenn man ein Studio so lange Zeit professionell
betreibt. Insgesamt dĂŒrften in der Summe aber circa drei Monate Produktionszeit angefallen sein.
inHard: Mir gefĂ€llt an eurer CD, dass ihr die Grenzen fĂŒr euren Art- und
Progrock nicht zu eng absteckt. Die einzelnen Tracks entwickeln ein ganz unterschiedliches Klangaroma. Mal zaubert ihr wĂŒtende zappende
Improvisationsmuster in bester ELP/Crimson-Manier aus dem Hut, dann ist melodischer Wohlklang angesagt. Der progressiv dynamische Antrieb hat auf
âReflectedâ verschiedene ZĂŒndungsstufen, was den Hördurchlauf nicht nur bei dem genialen Opener âGunsRusâ und dem sehr ohrgĂ€ngigen, trippig
theatralischen âFree Fallâ sehr abwechslungsreich gestaltet. Woher rĂŒhrt euer Hang zur unberechenbaren VariabilitĂ€t, dem bestimmten Moment, an dem die
Balance kurzzeitig in ungewohnten Klangmustern verloren geht, nur um sich dann kurze Zeit spĂ€ter wieder zu einem logischen Ganzen zusammenzufĂŒgen?
Artur: Danke fĂŒr die Blumen, deine Bezeichnung âKlangaromaâ finde ich sehr schön.
Unsere Unberechenbarkeit hat viele Ursachen. Erst einmal ist es uns wichtig, den âWertâ von Musik zu erhalten, wobei der Begriff der Wertigkeit ja extrem dehnbar und
natĂŒrlich subjektiv ist. Es gibt einen Song der Wise Guys mit der Textzeile âDas Leben ist zu kurz fĂŒr schlechte Musik.â Das ist unsere Grundhaltung. Gegen formatierte
radiotaugliche Musik ist ja nichts zu sagen, das ist aber nicht unser Ding. Andererseits freuen wir uns aber natĂŒrlich schon, wenn wir möglichst viele Menschen auf unsere
musikalische Reise mitnehmen können. Wir machen Musik zum SpaĂ und mĂŒssen keine Kompromisse eingehen. AuĂerdem lieben wir das Aufeinanderprallen der
rockigen Welt mit der klassischen sowie der hymnischen Welt mit der metallischen. Die Zeit im Studio wurde fĂŒr uns zum âSpiel ohne Grenzenâ. So gesehen haben wir uns
selbst beeinflusst und die unterschiedlichen Ideen der einzelnen Bandmitglieder respektiert, reflektiert und auf einen Nenner gebracht. Daher auch der Albumtitel âreflectedâ.
inHard: Habt ihr die neuen StĂŒcke denn auch schon live bei eurer Tour mit Pavlov's Dog performed?
Artur: SelbstverstÀndlich. Wir hatten ja das neue Album im Merchandise-GepÀck. Aber
es gab auch ein âBest Ofâ unserer alten Songs zu hören. Diese Mischung kam wirklich sehr gut an. Wir haben viele neue Fans dazu gewonnen, was wir auch am CD-Verkauf
nach den Gigs merkten. In manchen StĂ€dten waren wir selbst ĂŒberrascht, wie offen uns die Konzertbesucher angenommen haben. Das ist bei einer Support-Band ja nicht
immer so, denn die Fans kommen ja wegen âihrerâ Band und finden alles andere eher lĂ€stig. Wir waren also sehr zufrieden und haben die gleiche erfreuliche Erfahrung
gemacht wie bei der letzten Tour mit Fish, fĂŒr den wir auch die deutschen Konzerte eröffneten, damals aber noch in der alten Besetzung.
Rainer Guérich CD: Reflected (Rockville/Soulfood)
www.centralpark-band.de
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