inHard: Seit 1995 bist du Schlagzeuger der
deutschen Punkrock-Institution „Nevermind“. Nun stellst du mit „Egotrip“ dein gelungenes Soloalbum vor. Wie lange hattest du schon die Idee zu diesem Projekt, welche Freiheiten hat man, wenn
man aus dem gewohnten Bandgefüge einmal ausbrechen kann?
Toto: Die Idee für ein Soloalbum wurde eigentlich aus der Not heraus geboren, da sich
Songschreiber-technisch ein Haufen an Liedgut entwickelte, welches mit Nevermind nur schwerlich umzusetzen war. Diese Erfahrung musste ich machen. Vorteil an einem
Soloprojekt ist für jeden ambitionierten „Liedermacher“ ganz klar, dir redet kein Bandmitglied in deinen kreativen Output hinein unter dem Motto „mach die Stelle oder Strophe
mal so – sonst spiel ich nicht mit!“ Diese kritikunfähige Engstirnigkeit tut aber nicht jedem Song gut. Es gibt Stücke von Solokünstlern, da hört man solche Momente
gnadenloser Kompromisslosigkeit – legitim, aber man kann die Scheuklappen förmlich hören.
inHard: Was kannst du mir über die Studioarbeit erzählen? Wie lange hast du
insgesamt an der Platte gearbeitet, gab es irgendwelche Probleme?
Toto: Reines Gold wert war die Produktion bei Norman Meiritz, der in Fulda das
Rhönrecords-Studio betreibt. Er hat mir an einigen Stellen gesagt „probier das mal so“, dafür bin ich dankbar. Auch wenn es nicht immer leicht bzw. auch mal nicht möglich war,
über seinen Schatten zu springen und kreative Einwürfe anderer zu akzeptieren. Doch die Songs klingen dadurch offener, vier Ohren hören eben mehr und facettenreicher. An
diesen Aufnahmen habe ich insgesamt 3 Jahre gearbeitet, immer wieder von Pausen unterbrochen. Die Probleme waren eindeutig zeitlicher Natur: Verfügbarkeit des
Studios, Priorität Nevermind und keine Deadline im Genick ließen die Fertigstellung des Album scheinbar ins Unendliche treiben. Manchmal muss man viel Geduld haben
im Leben. Aber jetzt wird alles gut, yeah!
inHard: “Egotrip“ ist ein Konzeptalbum, das von der Trennung einer
Beziehung bis hin zum Neuanfang reicht. Ich kann mir vorstellen, dass der emotionale Gefühlsspagat auf persönlichen Erlebnissen von dir beruht, oder?
Toto: Unüberhörbar basiert das Konzeptalbum auf einer persönlichen und
schmerzlichen Erfahrung. Nach der Trennung einer sehr intensiven Beziehung klangen neue Songs auf einmal nicht mehr fröhlich, frech und handelten von Party, übermäßigem
Alkoholkonsum und Anarchie. Plötzlich dominierte „Gefühlsduselei“ und Trauer die Texte, emotionale Erschöpfung gepaart mit leisen Tönen im Mid-Tempo. Das ging so
überhaupt nicht mit unserem schnellen Punkrock aus Schlitz konform.
inHard: Gibt es Songs auf der Platte, die dich emotional besonders stark berühren?
Toto: Jeder Song auf dieser Platte berührt mich emotional. In jeder Nummer fand ich
ein Stück Kraft zurück, die ich nach der Trennung verloren hatte. Fragst du mich nach einer Besonderheit während der Entstehungsphase, will ich „Flamme“ ansprechen.
Dieser Song entstand in einer einzigen Nacht, soviel weiß ich. Jedoch habe ich kein weiteres Erinnerungsvermögen daran. Wie paralysiert sprudelten die Textzeilen aus mir
heraus, und ich las am nächsten Morgen überrascht, was ich da niederschrieb...
inHard: Bist du im Studio noch von weiteren Musikern unterstützt worden, ich finde dazu im Booklet keine Info?
Toto: Breite Unterstützung bekam ich wie erwähnt von Norman Meiritz, der das Album
mit mir produziert und auch die Arrangements für die Streicher („Der Abschluss“) programmiert hat (Engineering etc.). Gastmusiker waren Jens Ludwig (Sologitarre auf
„Zwischendurch verzweifelt“) und Klaus Schenk (Triangel im Song „Egotrip“). Ansonsten habe ich alle Instrumente selbst eingespielt.
inHard: Wie würdest du den Egotrip-Sound selbst beschreiben?
Toto: Der Sound von Egotrip ist in erster Linie rau und ehrlich. Auch wenn man
Pop-Anleihen zu hören vermag, stehen rockende Gitarren im Vordergrund, untermalt von stellenweise Klavier oder Synthesizer-Effekten. Auf keinen Fall überproduziert sorgt
der Gesang mit vereinzelten Blue-Notes für eine frische Punk-Attitüde.
inHard: Was steht bei dir in nächster Zukunft noch an?
Toto: Das Soloprojekt live umzusetzen, hat momentan keine Priorität, schließe ich aber
bei weitem nicht aus. Zur Zeit bin ich wieder am Ideensammeln und mit diversen Vorproduktionen beschäftigt, damit ein evtl. weiteres Album nicht wieder ganze drei
Jahre dauert. Ich bin gespannt, wohin mich die musikalische Entwicklung treibt. Seinen musikalischen Wurzeln treu zu bleiben heißt für mich nicht, nichts Neues ausprobieren
zu dürfen. Solange du mit ganzem Herzen dahinter stehst, ist dir alles erlaubt.
Rainer Guérich CD: Egotrip (7Hard/H’Art)
www.nevermind-punk.de
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