inHard: Wie viel der Fortsetzung der
Geschichte stand fest, als das erste Album veröffentlicht wurde?
Blackie Lawless: Alles. Man schreibt die ganze Geschichte erst, sonst weiĂź man ja nicht, wo es hingehen soll. Ich habe
das ganze Ding wie einen Film geschrieben.
inHard: Fanden auch die Aufnahmen schon so frĂĽh statt?
Blackie Lawless: Ja, ich habe alles in einem Zug aufgenommen. Lediglich das Mischen des zweiten Teils habe ich später gemacht.
inHard: Und die Entscheidung, das Ganze separat zu veröffentlichen, kam dann nicht von dir?
Blackie Lawless: Nein, Doppelalben werden heutzutage sehr ungern veröffentlicht.
inHard: War es dann nicht ein bisschen seltsam, nur mit dem Material des
ersten Albums zu touren? Ich meine, ihr habt ja auch noch nichts vom 2. Album gespielt.
Blackie Lawless: Ja, das stimmt. Aber es war ok. Anfangs hab’ ich mir auch Gedanken
gemacht, immerhin ist die Story ja fĂĽr mich ein Ganzes. Aber ich glaube, es war vielleicht gar nicht so schlecht, dass die Fans sich erst einmal mit dem ersten Album
vertraut machen konnten. Immerhin ist das Album ja auch ganz schön harter Tobak!
inHard: Ich denke, die Story von Teil 1 kennen unsere Leser - kannst du kurz zusammenfassen, was uns in Teil 2 erwartet?
Blackie Lawless: Es geht um Jesse, und wie er zu Macht gelangt und dann in diesen
Gewissenskonflikt gerät. Er fragt sich selbst, ob er der Messias ist, für den ihn alle halten, bis er schließlich für sich selbst einsieht, dass er es nicht ist. Das eröffnet er
dann seinen JĂĽngern. Ganz genau, er versucht sie zu ĂĽberzeugen. Aber die wollen gar nicht ĂĽberzeugt werden, weil sie mitten in dieser Maschinerie stecken, Millionen von
Dollar damit machen und diese Sache gar nicht beenden wollen. Und deshalb sind sie es dann auch, die sein Attentat bejubeln. Aber das geht jetzt schon ziemlich weit in die
Geschichte... Ich sag’ nur: Hört sie euch an!
inHard: Noch eins: Welche Rolle spielt Clockwork Mary?
Blackie Lawless: Sie ist seine Mutter! Und an dem Zeitpunkt, an dem er das erkennt,
dreht er völlig ab. Als er erkennt, dass alles, was er gemacht hat, auch seine Mutter betrifft, muss er die Sache für sich beenden. Weil er einsieht, dass er wirklich einige schlechte Sachen gemacht hat.
inHard: Könntest du dir vorstellen, noch mehr aus der Geschichte zu machen – wie einen Film, oder eine Aufführung?
Blackie Lawless: Vorstellen, klar. Wie gesagt, ich habe das Album wie einen Film
geschrieben. Aber es liegt nicht an mir, darĂĽber zu entscheiden. Die Ă–ffentlichkeit, die Fans werden entscheiden, wie erfolgreich das Album wird, und wie viel man daraus noch machen kann.
inHard: Was hat dich zu dieser Geschichte inspiriert?
Blackie Lawless: Es ging mir um die elementare Frage, die sich viele von uns stellen:
Wer bin ich, warum bin ich hier, was ist der Sinn meines Lebens, gibt es eine höhere Macht, die mich steuert? Und das habe ich auf die zentrale Frage von Teil 1 reduziert:
Sag’ mir Gott, warum bin ich hier? Das ist die Frage, über die wir am meisten nachdenken, aber nie zu fragen wagen.
inHard: Hat diese Frage auch mit dem religiösen, sprich arabischen Terror in der Welt zu tun?
Blackie Lawless: Nein, nicht unbedingt. Es geht um alle organisierten Gruppen, die -
egal ob religiös oder politisch - das Denken der Menschen beeinflussen. Regierungen sind derzeit besonders gut darin, ihrem Volk das anzutun. Ich hab zwar die Nonne als
ein Bild von höherer Macht benutzt, aber das geht gar nicht mal gegen die Katholiken im Besonderen, es ging mir nur um ein charakteristisches Bild. Und das ganze Ziel dieser
Platte ist einfach, die Menschen dazu zu bringen, fĂĽr sich selbst zu denken.
inHard: So komplexe Themen, wie du sie immer auf deinen Alben anpackst - könntest du dir vorstellen, mal ein Buch zu schreiben?
Blackie Lawless: Auch hier gilt: Vorstellen, klar, aber wann sollte ich dazu kommen?
Von dem Moment, als ich angefangen habe, mich mit der Story zu beschäftigen bis zu dem Moment, an dem die letzte Tour abgeschlossen ist, werden rund 3 Jahre
vergangen sein. 3 Jahre, in denen ich mich mit nichts anderem beschäftigt habe. Und dann kommt das nächste Album – wann und warum sollte ich ein Buch anfangen?
inHard: Was hat sich musikalisch am meisten verändert in der Band?
Blackie Lawless: Das VerrĂĽckteste, was wir bei den Aufnahmen gemacht haben, war,
dass wir die Instrumente getauscht haben. Es gibt so viel kreatives und spielerisches Potential in der Band, dass wir gesagt haben: Warum spielen wir nicht einfach mal die
Instrumente eines anderen. Ich spiele Bass auf einigen Stücken oder auch Schlagzeug – und so haben alle von uns andere Sachen eingespielt. Es hat Spaß gemacht, und es
war eine interessante und gute Erfahrung.
inHard: Und auf der großen Skala – hat sich etwas radikal verändert über die Jahre?
Blackie Lawless: Radikal wohl kaum, aber ich denke, vor allem unser Spektrum ist
wesentlich größer geworden. Wir haben immer versucht, weiter zu wachsen und neue Sachen auszuprobieren. Aber es war uns immer wichtig, keinen Trends nachzulaufen.
Und wir hatten auch nie den Anspruch, uns rabiat zu verändern oder das Rad neu zu erfinden.
inHard: Du wĂĽrdest also nicht unbedingt zustimmen, dass die Gitarren teilweise ein bisschen kerniger geworden sind?
Blackie Lawless: Teilweise vielleicht, aber ich denke, es gibt auch genĂĽgend Parts, die
typisch klassische W.A.S.P. sind. Aber vielleicht hast du auch Recht, ich bin sowieso noch viel zu dicht dran, um das objektiv beurteilen zu können.
inHard: Hast Du ein Lieblingsalbum von W.A.S.P.?
Blackie Lawless: Ich denke, es ist immer noch „The Crimson Idol“.
inHard: Sagt jeder – ist es so einzigartig, auch für Dich?
Blackie Lawless: Vielleicht kommen die neuen Alben ja dran, aber sie sind einfach noch
zu dicht dran für mich. Es hat mich 2 Jahre gekostet, um zu verstehen, was „Crimson“ wirklich war. Ganz einfach, weil man als Musiker das Album lange, lange Zeit einfach nicht objektiv hören kann.
inHard: Ihr seid mit der letzte Name der klassischen „Schock-Rocker“ – hat dieses Label noch irgendeine Bedeutung für dich?
Blackie Lawless: Nein, ich nenne uns nicht mehr so. Diese extremen Effekte sind doch
Jahre her. Und ich habe festgestellt, dass es mich zu sehr limitiert, wenn die Leute meine Musik nur mit den Augen hören. Ich meine, ich lege immer noch Wert auf eine
theatralische Präsentation meiner Musik mit vielen Effekten, aber man darf die Musik nicht darauf begrenzen.
inHard: Es gab 1995 mal ernste Überlegungen von dir, W.A.S.P. zu beenden – seitdem nie wieder?
Blackie Lawless: Nein, wir sind sehr zufrieden mit der Band – und ich denke, wir können
auch mittlerweile alles in der Band umsetzen, was wir wollen. Was nicht immer so war. Und 1995 war allgemein eine schwierige Situation fĂĽr Metal. Wir hatten ĂĽberlegt, ob wir
etwas ändern könnten. Aber als wir das unseren Fans eröffneten, kamen die mit einem interessanten Punkt. Sie sagten: „Verstehst du nicht, dass Blackie Law mit W.A.S.P.
gleichzusetzen ist? Das heißt, egal was du wie auch immer machst, warum nicht einfach als W.A.S.P.?“ Und in der Aussage war viel Wahrheit drin.
inHard: Ok, letzte Frage: möchtest du mittlerweile verraten, was die Punkte zwischen den Buchstaben bedeuten?
Blackie Lawless: Nein, bestimmt nicht. Unsere Idee war nur, etwas Eigenes, Neues zu
gestalten. Natürlich hatten wir unsere Definition, aber es gibt so viele schöne Definitionen, die uns die Fans schicken – mehr als wir uns jemals hätten denken
können. Es hat jedenfalls nichts mit Wespen zu tun!
Ralf Koch CD: The Neon God: Part 2 - The Demise (Noise/Soulfood)
|